400 Mann waren am Samstag bei einer Großübung auf dem Haidhof im Einsatz

Drei Rettungshubschrauber starteten / Arzt vom Operationstisch wegbeordert / »Notwendige Übung«

W e r t h e i m . »Wertheim ist in den letzten beiden Jahren von vielen Katastro­phen heimgesucht worden (Großbrande, Hochwasser). Es war daher notwendig, eine großangelegte, völlig geheime Übung durchzuspielen«, sagte Oberbürgermei­ster Stefan Gläser, als Verantwortlicher mit der organisatorischen Oberleitung über die Übung »Windhose 1983« betraut, am Samstagnachmittag bei der Übungs­kritik in der Main-Tauber-Halle. Mit dieser Gemeinschaftsübung sollte die Zusammenarbeit der Feuerwehrabteilungen von Wertheim mit sämtlichen Hilfsorganisationen (Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz, DLRG) sowie den Versor­gungsunternehmen wie Stadtwerke und Stadtbauamt und dem Polizeivollzugsdienst erprobt werden. Nach der geheimen Ausarbeitung des Übungsplanes sollte vorausgesetzt werden, daß sich auf dem Wertheimer Haidhof eine Riesenkatastro­phe ereignet habe.

Ein Gesangverein, so wurde einmal ange­nommen, sei vor einem starken Gewitter unter das Vordach einer Strohscheune geflüchtet. Seine Mitglieder seien vom Blitzschlag über­rascht und teilweise schwer verletzt worden. Zudem hätte eine Windhose ein Wohnhaus stark beschädigt und die Bewohner verletzt. Die Bergung dieser Familie oblag dem THW Wertheim, das, wie auch die anderen Hilfsor­ganisationen, den Rettungseinsatz vorbildlich vollzogen hatte. Das erklärte Oberbürgermeister Stefan Gläser vor den 400 versammelten Helfern. Freilich sei die Großübung nicht ohne harte Kritik abgegangen, aber die könne in Zusammenarbeit mit den vermeintlich Über­forderten eine Klärung finden, meinte er.

1500 Meter lange Förderstrecke mußte 170 Meter Höhe überwinden

Die Strohscheune und das durch Funken­flug ebenfalls entflammte Wirtschaftsgebäude am Haidhof »brannten« also lichterloh, als um 13.18 Uhr der Notruf vom Haidhof kam. Eine Minute später wurde Alarm für die Stütz­punktfeuerwehr Wertheim ausgelöst, gleich­zeitig Einsatz für das Rote Kreuz und sechs Minuten später für das Technische Hilfswerk gegeben. Alarmiert wurden zum gleichen Zeitpunkt die Wehren Höhefeld, Waldenhausen, Reicholzheim, Dietenhan, Kembach, Lindelbach, Urphar, Bettingen, Nassig und Sachsenhausen.

Nach Bildung einer Einsatzleitung am Haid­hof (Oberbürgermeister Gläser und Stadtbrandmeister Wilhelm Weber), wurden die Aufgaben breit verteilt: Legen einer doppel­ten Förderstrecke über 1500 Meter und mit 170 Meter (!) Höhenunterschied mit Wasserent­nahme von der Tauber in Höhe des Tauber­sportplatzes. Dafür war der stellvertretende Stadtbrandmeister Kurt Oberdorf in Zusam­menarbeit mit den Kommandanten der einzelnen Abteilungen verantwortlich. Dies klappte nur mit Mühe, und es zeigte sich, daß jede an der Förderstrecke beteiligte Wehr in Zukunft mit Funk auf »Zwei-Meter-Band« ausgerüstet , sein sollte.

Das Rote Kreuz, wie alle anderen beteilig­ten Organisationen nicht informiert, daß es sich um eine Übung handelt, hatte die Aufga­be, die Verletzten zu bergen. Dies konnte nur  unter Einsatz des »Schweren Atemschutztrupps« geschehen und war erst nach einem exakten Schnellangriff mit dem Hochdruck­schlauch , der mit einem C-Schlauch verlängert war, möglich. Inzwischen hatte die Funkleit­stelle Tauberbischofsheim sämtliche den ge­meldeten und gegebenen Umständen nach er­forderlichen Rettungsmaßnahmen getroffen: Anforderung sämtlicher Sanitätsbereitschaf­ten im Umkreis, des Rettungshubschraubers »Christopher 18« aus Ochsenfurt und zweier anderer aus Bayreuth und Mannheim. Als man nach der Landung von »Christopher 18« (an Bord der aus Wertheim stammende Not­arzt Dr. Wolfgang Göpfert) erkannte, daß es sich nur um eine Großübung handelte, konnte der Anflug der beiden anderen Hubschrauber gestoppt werden.        ’

Pendelverkehr mit Tanklöschern

Weil der Ausbau der Förderstrecke ver­ständlicherweise lange Zeit in Anspruch neh­men würde, wurde ein Pendelverkehr mit Tanklöschfahrzeugen angeordnet. Dabei kamen auch die Geräte der Berufsfeuerwehr der Amerikaner von den Peden Barracks und der bayerischen Nachbarwehr Kreuzwertheim zum Einsatz. Die Drehleiter in Stellung brin­gen, hieß die nächste Anordnung. Vom Rettungskorb aus wurde der Großbrand erfolgreich bekämpft. Ein großer Haufen Altreifen und zusätzliche Brennkörper boten für die Be­wohner von Stadt und Wartberg einschließlich der Nachbargemeinden ein realistisches Bild wegen der starken Rauchentwicklung.

Inzwischen herrschte ein emsiges Treiben der Rettungsmannschaften: Ein Not- und Er­ste-Hilfe-Leistungsplatz wurden eingerichtet, die Verletzten erstversorgt und übungsmäßig abtransportiert. Die anrückenden Fahrzeuge aus bayerischen Nachbarstädten wie Marktheidenfeld (drei von vier vorhandenen Ret­tungswagen einschließlich eines vom Opera­tionstisch wegbeorderten Arztes) oder Würzburg (ein großer Rettungsbus) konnten noch rechtzeitig gestoppt und zur raschen Umkehr beordert werden, aber erst, als der Verant­wortliche der Rettungsleitstelle Tauberbi­schofsheim, Manfred Skazel, zum vermeintli­chen Unfallort geeilt, erkannt hatte, daß es sich »nur« um eine Übung handelte. Seine Kri­tik hierzu war mehr als verständlich. Er räumte zwar ein, daß ein Ernstfall für alle Beteiligten in dieser Form erprobt werden könne und müs­se, offen sei aber, ob die Anfahrt der Rettungsfahrzeuge seines Bereiches mit Sondersignalen über 30 Kilometer hinweg wirklich gerecht­fertigt sei. Die anderen Rettungs- und Hilfsor­ganisationen schon Jedoch aufgrund der wäh­rend der Übungskritik in der Main-Tauber- Halle geäußerten Meinungen ihre Aufgabe als »erfüllt und erfolgreich« an.

Stadtkommandant dankte Helfern

Stadtkommandant Wilhelm Weber dankte nach Abschluß der Übung gegen 16 Uhr den 400 Helfern. Der »gewagten Übung« erteilte Erhard Weimann, Referent im Feuerwehrre­ferat des Innenministeriums Stuttgart, das Prädikat »gut«, was den Ablauf beträfe. Viel Mut hätte dazu gehört, als Stadtkommandant Wilhelm Weber mit seinen wenigen Einge­weihten diese Sache anberaumt hätte. Die eingeteilten Führungsstäbe hätten ihren Führungsanspruch noch mehr geltend machen, müssen, obwohl der Übungsplan für den großen Rest der Helfer dem »freien Spiel der Kräfte überlassen wurde«. Aber dieses »freie Spiel« sei ein gutes Zusammenspiel gewesen, und um diesen Faktor sei es auch gegangen. Dem Rettungsdienst sprach Weimann sein un­eingeschränktes Lob aus. Mit dem Aufbau der Förderstrecke sei er zufrieden gewesen, der Funk sei allerdings stets sehr überlastet wor­den. Das könne man dem Einsatzmann Kurt Oberdorf nicht als Kritik ankreiden, weil er eben (es dauerte mehr als eine Stunde, bis »Wasser Marsch» kam) keinen Funk zur Ver­fügung gehabt habe.

Der Sprecher der fünf Schiedsrichter, Jür­gen Pässler (Niederstetten), lobte den Mut zur Durchführung einer solchen Übung. Beson­ders den Hilfsorganisationen wie DRK. THW und DLRG gebühre Anerkennung. Seine An­regung: »Pendelverkehr mit Tanklöschfahr­zeugen nur über den Reicholzheimer Flurbe­reinigungsweg.« Ebenso wie Kurt Oberdorf treffe den Abteilungskommandanten Karl Schreck aufgrund des Fehlens von Funkgerä­ten keine Schuld, wenn es mit der zweiten Lei­tung von der Tauber nicht so geklappt habe, wie man sich das zeitlich vorgestellt habe.

»Abklärung der Kompetenzen nötig«

Oberbürgermeister Stefan Gläser nahm die an der Übung geäußerte Kritik nicht sonder­lich ernst. Er vertrat den Standpunkt, eine sol­che Übung müsse gerade »bis zur letzten Kon­sequenz« in Anbetracht der Gefährdung der Stadt und ihrer Bewohner durchgeführt wer­den. Es bedürfe, so räumte er allerdings ein, einer Abklärung der Kompetenzen, was den Einsatz der Rettungsfahrzeuge betreffe. Man werde nach der ersten Großübung dieser Art einen Weg suchen und finden müssen. Beson­ders dankte Gläser Polizeihauptkommissar Lothar Ulsamer, der mit seinen Beamten die technische Lösung des Problems im Griff gehabt habe, eine Sicherung der Strecke betref­fend. »Schlagkräftig« sei auf jeden Fall der Einsatz des Roten Kreuzes gewesen. Auch die Arbeit des THW, der DLRG, der Feuerwehr­kameraden von den Peden Barracks und auch des Sanitäters Gerhard Heitmann aus Kreuzwertheim, der mit Schminke 20 Verletzte präparierte«, würdigte der Oberbürgermeister. Nicht zuletzt lobte er den Opferwillen aller 400 Helfer, darunter auch zahlreiche Mädchen und Frauen des Deutschen Roten Kreuzes, »die alle bis an die Grenze der Einsatzbereit­schaft gegangen sind«, so Gläser wörtlich.

17.10.1983


Technische Daten zur Großübung »Windhose«

Wertheim. Zu einer Großübung im Ausmaß der »Windhose 1983« am Samstag, auf dem Haidhof gehören technische Daten. Hier wollen wir aufzeigen, was an Mann und Material im Einsatz war und zur Verfügung stand: Feuerwehr, Rotes Kreuz, Tech­nisches Hilfswerk, DLRG. Nicht einge­plant war der Einsatz der DLRG-Gruppe Wertheim, doch der Oberleiter, OB Stefan Gläser, hielt es für notwendig, auch diese wichtige Gruppe im Rahmen der Hilfelei­stung mit einer besonderen Aufgabe spon­tan zu beauftragen: Suchen nach einem Un­fallgeschockten in der Tauber, der sich von seinen Freunden laut Übungsannahme »ab­gesetzt« hatte und im Schock in die Tauber gesprungen war. Die DLRG hätte ihn wahr­scheinlich gefunden, wenn er wirklich hin­eingesprungen wäre. Doch jetzt zu den Fak­ten: 400 Personen und 42 Fahrzeuge (ohne die Rettungswagen und Notärzte, drei Hub­schrauber und Helfer von überorts) waren im Einsatz. Im Einzelnen: 240 Feuerwehr­leute, 50 Mitglieder des THW, 10 Polizisten,. 40 Helfer des Roten Kreuzes, 10 Mitglieder der Einsatzleitung, 10 Übungsbeobachter,5 Schiedsrichter, 3 Mitarbeiter der Stadtwer­ke, 3 Mitarbeiter des Stadtbauamts, 20 » Verletzte« (Kreuzwertheim) und 5 Mitglie­der der DLRG.

Durch die In-Dienst-Stellung der Feuer­wehrleitstelle für den Main-Tauber-Kreis in Tauberbischofsheim besteht die Möglich­keit, sämtliche Feuerwehr-Abteilungen der Stadt Wertheim über Funk-Fernwirk-Emp­fänger zu alarmieren. In der Kernstadt geschieht dies über sogenannte »Meldeempfänger«, die jeder aktive Feuerwehrmann besitzt. In den Ortsteilen erfolgt die Alar­mierung über die Sirenen. Das hatte aus­nahmsweise hervorragend geklappt, nur in Bettingen nicht. Zwar ging die Funkalar­mierung planmäßig vonstatten, doch als man das Rote Kreuz in Bettingen mit speziellem Ruf zu Einsatz rief (ein langer Dauerton ist hier nach Aussage eines Mitglieds vereinbart), tutete die Sirene nicht, auch dann nicht, als man die Sicherungsscheibe zur Handauslösung des Sirenentons ein­schlug. Hier muß jetzt nachgesehen werden, wo der Haken liegt.

Bemerkenswert ist, daß viele Teilorte noch kein benzingetriebenes Feuerwehr­fahrzeug besitzen. Im Fall »Haidhof« er­wies es sich jedoch als Vorteil, noch mit dem »Bulldog« auszurücken. Diese vorsintflut­liche Beförderungsmaschine bewährte sich als äußerst praktikabel, weil »man mit dem Schlepper einfach besser und schneller über solche schlecht ausgebauten Weg wie zum Haidhof vorankommt.« Das sagte ein »Eingeweihter« aus Kembach, wo ein hochkarätiger Schlepper vor den Schlauch wagen gespannt worden war. Dennoch muß auf einigen Gebieten technische Abhilfe geschaffen werden, wie der Ablauf der Übung bewies. Vor allem braucht die Feuerwehr neben mehr benzingetriebenen Fahrzeugen mehr Funkgeräte

17.10.1983