Erst als die Feuerwehrleute an der Spritze standen, merkten sie, daß es eine Katastrophenschutzübung war
Gegen Übungsende wurde es plötzlich ernst: Wagen des THW Wertheim verunglückte
Bettingen. Mitten in den samstäglichen Alltag platzte die erste, streng geheim gehaltene Katastrophenübung, die Feuerwehr, Sanitäter und Technisches Hilfswerk auf den Plan rief. Eine Gasexplosion im Betriebsgelände der Bettinger Firma Ampullen Fritz KG war für die Übung angenommen worden. Die Große Kreisstadt Wertheim ist verpflichtet, eine solche „Spontan-Übung“ auszurichten, um die Schlagkraft der Hilfsgemeinschaften bis aufs Letzte zu testen. Was jedoch nicht eingeplant war, spielte besonders dem THW Wertheim einen bösen Streich: Während der Einsatzfahrt verunglückte ein „hochbeiniger“ Einsatz-Kübelwagen des THW Wertheim direkt in der Einsatzkurve der Staatsstraße 2310 vor Bettingen. Der Lkw kippte infolge zu hoher „Einsatzgeschwindigkeit“ um. Fahrer und Beifahrer konnten jedoch nahezu unverletzt davonkommen.
Bereits vor dem Alarm, der um 13.19 Uhr von Wertheim aus durch den Stadtkommandanten Wilhelm Weber ausgelöst worden war, stand Oberbürgermeister Karl Josef Scheuermann am Einsatzort, um sich „vor Ort“ über den Leistungsstand zu informieren.
Was war geschehen, besser gesagt, was sollte laut ausgeklügeltem Plan als Alarmübung gelöst werden? Dieses erläuterten der Stadtkommandant und der Oberbürgermeister nach getaner Arbeit: Laut neuestem Katastropenschutzgesetz muss die Große Kreisstadt Wertheim einen Großbrand oder eine Explosion mit zahlreichen Verletzten, Sachschäden und Objektschutz „inszenieren“. Das geschah im Betriebsgelände der Firma Fritz KG in Bettingen.
Alarmiert wurden die Wehren aus Wertheim, Bettingen, Lindelbach, Urphar, Dietenhan und Dertingen, die Sanitätskolonnen oder Gruppen aus Wertheim, Bettingen, Urphar, Waldenhausen, Reicholzheim und Dertingen sowie das Technische Hilfswerk Wertheim.
Gasbehälter explodiert
Eine Gasbehälter-„Explosion“ war der unmittelbare Anlass, dass so viele Hilfsorganisationen eingesetzt werden mussten. Außer hohen Sachschäden mussten sieben Verletzte aus den Fabrikanlagen geborgen werden, die durch Mitarbeit der Kreuzwertheimer Sanitätskolonne „dargestellt“ worden waren. Der Jugendleiter dieser Wehr, Gerhard Wolf, schminkte seine jungen Kameraden täuschend echt als „Schwerverletzte“, die aus verschiedenen Komplexen der Firma Fritz KG zu bergen waren, wobei der Atemschutztrupp der Stützpunktfeuerwehr Wertheim vortreffliche Arbeit leistete, unterstützt von weiteren Feuerwehrmännern und ganz besonders den Rot- Kreuz-Einsatzfrauen- und männern aus den genannten Ortschaften. Hier haben sich besonders die Bettinger Bereitschafts- und Gruppenmitglieder ausgezeichnet, die für die Besatzung des Notarztwagens in Erster Hilfe gute Vorarbeit leisteten.
Allen voran aber gebührt, wie aus der Übungskritik im Urpharer Feuerwehrhaus herauszuhören war, der Bettinger Feuerwehr ein großes Lob: Mit ihrem aus „uralten Zeiten“ bestehenden Einsatzfahrzeugen schafften sie Mann und Gerät innerhalb von fünf Minuten zum Einsatzort, legten eine Förderstrecke zum Aalbach und hatten nach bereits neun Minuten aus dem ersten Rohr „Wasser Marsch“ zu vermelden, obwohl sie keine Ahnung hatten, dass es sich (bis zum ersten Strahl Wasser) nur um eine Übung handelte. Gleichsam ist dieses Lob an die Bettinger Rot-Kreuz-Gruppe weiterzugeben, die ebenfalls nicht unterrichtet und mit 15 Mann zur Stelle war.
Kreisbereitschaftsführer Wolfgang Stapf gab: einen minutiösen Bericht über die Alarmierung der Sanitäter: 13.23 Uhr die Einsatzleitstelle Tauberbischofsheim über Notruf alarmiert, um 13.26 Uhr Ausrücken des Wertheimer Notarztwagens befohlen, um 13.28 Uhr die Gruppe Bettingen alarmiert, um 13.29 Uhr die Wertheimer Bereitschaft verständigt.
Und hier liegt nach Feststellung der Kritik dennoch „der Hase im Pfeffer“: Hätte man bei den Sanitätern ein gleiches Meldesystem, wie es jetzt bei der Feuerwehr klappt (Funkalarmierung), so könnte man auf jeden Fall noch schneller am Einsatzort sein und — was doch unbedingt vorrangig zu erledigen wäre — Menschenleben retten.
Ein weiteres Problem betrifft die Alarmierung der Bettinger Wehr und ihrer starken Sanitätsbereitschaftsmitglieder: In nur knapp der Hälfte des Ortes kann man die Sirene hören. Oberbürgermeister Scheuermann bemerkte dies und stellte „Schalluntersuchungen“ in Bettingen in baldigste Aussicht, damit alle Bürger das Alarmsignal hören können, wie man es sich in Bettingen wünscht. Scheuermann kritisierte die Drahtalarmierung. Nur die „Funkalarmierung“ habe Zukunft.
Oberbürgermeister Scheuermann, Stadtkommandant Wilhelm Weber, Kreisbereitschaftsführer Wolfgang Stapf und THW- Sachverständiger Anton Jeßberger konnten nicht nur gegenseitigen Dank entgegennehmen, sondern diesen gleichzeitig an ihre Mitglieder weitergeben. An Ort und Stelle bedankte sich Firmenchef Karl Fritz für die „schonende Behandlung“ seiner Anlagen (er stellte einen Betrag von 200 Mark für ein Vesper für die Einsatzleute zur Verfügung), und während der Übungskritik im Feuerwehrgerätehaus Urphar dankte der technische Betriebsleiter und Sicherheitsingenieur Eberhard Decker für die Übernahme eines eventuellen Brandschutznetzes in dieser Firma.
Wertheimer Zeitung 19. September 1977